1¾«kęńńņóōSTANDARD.DFVIBMGRAPHPROSEMINARARBEIT VON STEFAN MARTI, Brunnenweg 1, 4632 Trimbach Referat zum Buch "AUSREDEN" von C.R.Snyder, R.L.Higgins und R.L.Stucky (mvg Verlag, 1986) Der immer wiederkehrende Grundgedanke in diesem Buch ist folgender: Alle Leute gebrauchen Ausreden; Ausreden sind in jeder Art lebensnotwendig; wenn sie berhaupt ein Problem sind, dann nicht nur ein individuelles, sondern ebenso ein gesellschaftliches: z.B. das Etikett "geisteskrank" ist oft eine sehr durchsichtige Ausrede. Es gibt eine Unmenge von verschiedenen Ausredensarten: da sind z.B. die Alibis ("ich kann es nicht gewesen sein, weil ich nicht dort war..."), dann die Schuldverlegung ("ein anderer war's..."), Verharmlosung ("es war ja nur ein kleines Stck Kuchen..."), Reduktion ("so schlimm war die Sache nun ja auch nicht gewesen..."). Die wichtigste Ausredensart in unserem Zusammenhang geht folgendermassen: wenn eine pers”nliche Fehlleistung registriert wird zu sagen: "Ich bin's nicht gewesen!". Das nennen die Autoren Abstreiten oder Lgen. Eine allgemeine Definition von Ausreden geben sie auf Seite 19: "...Ausreden sind Erkl„rungen oder Handlungen, mit denen sich die negativen Elemente eines Verhaltens vermindern oder herunterspielen lassen, um dadurch das positive Selbsbild sowohl fr sich selbst als auch nach aussen hin zu schtzen und aufrechtzuerhalten..." Da das Buch eigentlich ein psychologisches ist, hat es ein eigenes philosophisches Kapitel mit dem Titel: Hintergrund zum Maskenspiel der Ausreden (der Titel deutet - nebenbei angemerkt - auch darauf hin, dass die Autoren von Goffman beeinflusst sind...). Die Grundproblematik, die angeschnitten wird ist die folgende: Vorbestimmung oder Auswahl? Es wird Schicksal gegen Eigenverantwortung abgewogen, und auch Gott - jetzt wissenschaftlich begrndet - wird angesprochen. Dazu ein Zitat von Freud (1969): "...Der tief verwurzelte Glaube in psychische Freiheit und Wahlm”glichkeit ist recht unwissenschaftlich und muss gegenber dem Anspruch der Vorbestimmtheit, der das geistige Leben beherrscht, zurckweichen..."(Seite 29). Die Autoren kommen zum Schluss, dass eine praktische L”sung des Problemes nicht in Sicht ist und schlagen vor, den rein philosophischen Standpunkt zu verlassen um des Verst„ndnisses unserers Verhaltens willen. Unsere Handlungen sind sowohl vorbestimmt als auch frei gew„hlt. Ein Beispiel dazu: Hat sich ein Mensch in den Kopf gesetzt, eine grosse Distanz im Wasser zu berwinden (aus irgendwelchem Grunde), so st”sst er schnell an seine physischen Grenzen. Er k”nnte das Problem natrlich mit einem Boot l”sen! Aber da ein Boot Geld kostet ist er vor das Problem gestellt, woher das Geld nehmen? Dazu hat er immerhin mehrere M”glichkeiten, er kann n„mlich arbeiten, oder aber zum Beispiel eine Bank berfallen! Warum stellen die Autoren diese Problematik so sehr in den Vordergrund? Es ist wegen der Verantwortlichkeit. Denn nur mit der Freiheit der Wahl kann Verantwortlichkeit existieren! Unter Verantwortlichkeit verstehen die Autoren das "Bewusstsein, der unangefochtene Urheber eines Ereignisses oder Gegenstandes zu sein" (Sartre, S.32). Man wird also immer zur Rechenschaft gezogen, ausser wenn man sich herausreden kann, dass man nicht die Wahl gehabt h„tte. Dazu das sch”ne Zitat von Paul Tillich (1952) auf Seite 33: "...Das Sein wird dem Menschen nicht nur gegeben, sondern auch von ihm gefordert. Er ist dafr verantwortlich, er ist buchst„blich dazu gezwungen, eine Antwort zu geben, sollte er gefragt werden, was er aus sich selbst gemacht habe..." Eine Voraussetzung fr die Entstehung von Ausreden ist also Freiheit in der Wahl. Das bedeutet aber auch, dass man mehrere Auswahlm”glichkeiten haben muss, d.h. 1. mehr Situationen, in die man geraten kann (und aus denen man sich wom”glich herausreden muss...) 2. mehr Schaupl„tze; z.B. kann man sich heute "seine" Religion aus einem grossen Sortiment ausw„hlen (inklusive der Wahl, keiner Religionsrichtung ausdrcklich den Vorzug zu geben) 3. mehr Handlungsm”glichkeiten: Handle so, wie dir der Kopf steht. Frher gengte die Angabe des Berufes, um zu wissen, wer man ist; die berufliche T„tigkeit wurde charakterisierend fr die ganze Pers”nlichkeit herangezogen. Aber auch die Art der Ferien und des physischen Ferienortes ist heute sehr verschieden: entweder auf oder unter dem Boden, in der Luft, auf oder im Wasser u.s.w. Ein Problem bei der ganzen Sache ist nur folgendes: wir wollen/ k”nnen nicht fr alles, was wir tun, die Verantwortung bernehmen. Besonders wichtig ist auch, dass wir oft nicht die Verantwortung fr Dinge bernehmen, die wir unterlassen haben zu tun. Das eindrcklichste Beispiel dazu ist wohl der Mensch, der am Fernsehen die Nachrichten ber irgendwelche Unglcke und Ungerechtigkeiten betrachtet und danach den Fernseher wieder abschaltet. Sonst nichts. Da dies nicht immer so einfach ist beweist die Gegenreaktion, einfach nichts mehr wissen zu wollen. Mit den Worten Maslows: "...H„ufig ist es besser, nicht zu wissen, denn wrden sie wissen, mssten sie handeln und Ihren Kopf hinhalten..."(S.42). Gerade heute ist es also schmerzlich, informiert zu sein; wir werden ber Zust„nde und Herg„nge von Ereignissen auf der anderen Seite des Erdballes fast ohne Zeitverz”gerung informiert. Auch wenn wir Einzelheiten nicht kennen: die Unruhe, dass wir etwas unternehmen sollten, ist dennoch da. (Die Diskrepanz zwischen unseren Wahrnehmungsorganen, die mit technischer Hilfe auf ein Vielfaches ihrer ursprnglichen Leistungsf„higkeit erweitert wurden, und unserer konkreten Einflussm”glichkeiten auf diese wahrgenommen Umwelt wird hier besonders deutlich). Sehr aktuell ist auch die Problematik um die Erkenntnis, dass das, was wir heute tun, soganannte Langzeitfolgen haben kann, die wir nicht abzusch„tzen in der Lage sind. Passend dazu finde ich folgendes Zitat von May (1969) auf Seite 43: "...Gott erschuf aus dem Chaos Form, w„hrend wir aus Form Chaos schaffen, und es gibt wohl kaum einen Menschen, der sich nicht in einem geheimen Winkel seines Herzens davor zu Tode frchtet, dass wir nicht mehr in der Lage sein werden, das Chaos wieder in Form zurckzuvewandeln, bevor es zu sp„t ist..." Der geschilderte Mechanismus hat aber selber auch Rckwirkungen auf unsere Wahl: es ist uns zwar erlaubt, jedes nur erdenkliche Hobby als Freizeitbesch„ftigung zu w„hlen, aber die Verantwortlichkeit und Notwendigkeit der Rechtfertigung, die bei der Wahl eingeschlossen ist, kann l„hmend wirken. Als Spezies Mensch sind wir zu mehr Selbstbestimmung f„hig als je zuvor, dennoch ist die Macht des Einzelnen, die Gesellschaft, die Gemeinde oder den Haushalt zu beeinflussen, geringer denn je. Mit Theaterbildern gesprochen: Der moderne Mensch erlebt das frustrierende Gefhl, dass ihm ein grosser Teil in der Mitte der Bhne zur Verfgung gestellt wird, er jedoch nicht die notwendigen Textvorlagen erh„lt, um seine Rolle spielen zu k”nnen, und man erz„hlt ihm auch nicht, wovon das Stck handelt. In diesem Dilemma, wo wir uns befinden - Freiheit oder Verantwortlichkeit? - gebrauchen wir AUSREDEN. Sie besitzen die magische Kraft, vorbergehend die Diskrepanz zwischen Dingen, fr die wir verantwortlich sein m”chten und Dingen, fr die wir verantwortlich sind, zu verringern. Die Autoren haben dafr ein sehr sch”nes Bild gefunden (S. 50): "...Unsere Gesellschaft geht bezeichnenderweise von der Annahme aus, dass wir fr unser Verhalten verantwortlich sind. Aber auch wenn wir in diesem Dilemma gefangengehalten sind, sind wir doch nicht hilflos. Wir stellen uns mit dem Rcken zur Wand, um dann festzustellen, dass die Wand eigentlich eine Tr ist, die sich zu einem geheimen Fluchtweg und vorbergehenden Erholungsort von der Schlacht ”ffnet. Auch wenn wir schuldig sind, gew„hren uns Ausreden eine "Amnestie"." Was bewirken nun Ausreden konkret: sie erm”glichen es uns, unser positives Selbstbild aufrecht zu erhalten, und zwar gegenber einem inneren als auch „usseren Publikum: Nach Innen sind wir bestrebt, unsere Selbstachtung zu mehren. Selbstachtung ist die Bewertung, die jeder einzelne von sich selbst vornimmt und beibeh„lt. Dazu geh”rt, wie erfolgreich, f„hig, bedeutsam und wertvoll man sich selbst einsch„tzt. Die These, dass ein Verlust an Selbstachtung ein Verlust an psychischer Gesundheit mit sich bringt, wird im Buch mit einer Reihe von psychologischen Untersuchungen aus allen Gesinnungsecken der Psychologie belegt. Das Verhalten des Menschen bezglich des „usseren Publikums wird folgendermassen beschrieben: der Mensch hat soviele soziale Ichs wie es Menschen um ihn herum hat, die ein Bild von ihm haben. Das dies viel zu kompliziert w„re, werden diese Menschen zu Gruppen zusammengefasst, also hat der Mensch soviele soziale Ichs wie es Gruppen gibt, deren Meinung ber ihn ihm wichtig sind. Goffman ist der prominenteste Vertreter dieser Eindrucksmanagements fr ein externes Publikum. Durch die Sorge um unser Selbstbild nach aussen und gleichzeitig durch die Verinnerlichung des externen Publikums wird unser eigenes Selbstbild generiert. Wir bemhen uns also, gleichzeitig in der Oeffentlichkeit als auch in unserer Privatsph„re ein achtungswrdiges Verhalten an den Tag zu legen. Wie wird nun aber ein Selbsbild bedroht? Je schlechter die Vorstellung und je offensichtlicher der Zusammenhang zwischen Schauspieler und Darstellung ist, desto St„rker die Bedrohung fr das Selbstbild. Weitere Regeln zu diesem Prinzip: je bewusster die negative Handlung ist, desto schlechter wird sie eingestuft. Und: je unabsehbarer die Auswirkung einer negativen Leistung ist, desto weniger schlecht ist sie. Alle diese Feststellungen werden durch empirische Untersuchungen untermauert. Zur Beziehung zwischen Handelndem und negativer Leistung haben die Autoren ein anschauliches Modell entwickelt: offensichtliche Verantwortlichkeit ŚÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄæ ³ ³ ³ v Handelnder negative Leistung ^ | | | ĄÄ Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä Ä ÄŁ umgewandelte Verantwortlichkeit Die offensichtliche Verantwortlichkeit ist ursprnglich die Information, die den Handelnden mit einer schlechten Leistung verknpft. Es ist eigentlich der physische Nachweis. Die umgewandelte Verantwortlichkeit ist die nachfolgende Information, die das Ausmass, indem ein Mensch fr eine schlechte Leistung als verantwortlich gesehen wird, modifiziert. Es ist der psychische Nachweis (der den physischen entweder bekr„ftigt oder aber widerlegt). Dieses Modell ist nun sehr geeignet um zu zeigen, an welchen Orten Ausreden ansetzen k”nnen. An folgenden drei Punkten ist dies m”glich: an der offensichtlichen Verantwortlichkeitsverbindung, ander negativen Leistung an sich und an der umgewandelten Verantwortlichkeitsverbindung. Zur Illustration ein Beispiel dazu: Ein Junge hat mit seinem Luftgewehr einen Hund erschossen. Sein Vater stellt ihn zur Rede. Er kann nun zu folgenden Ausreden greifen: 1. "Ich war's ja gar nicht!": er versucht damit, die offensichtliche Verantwortlichkeitsverbindung zwischen sich und dem negativen Ereignis abzuschw„chen bzw. zu widerlegen. 2. Der Vater hat ihn aber bei seiner Tat beobachtet. Der Junge ist also der Schtze. Er kann aber immer noch sagen: "Aber es war doch nur ein herumstreunender, verwilderter Hund!". Damit versucht er, das eigentlich Schlechte an seine Leistung zu verringern. 3. Nun sagt aber sein Vater, dass Tiere genauso Lebewesen wie die Menschen seien und man sie nicht so einfach ohne Grund umbringen drfe; das heisst nun, dass der Vater die Tat seines Jungen wirklich schlecht findet. Jetzt kann der Junge die letzte Ausrede bringen und sagen: "Aber alle andern taten's doch auch!". Damit versucht er nun als letzten Ausweg, sein Gesicht zu bewahren, die umgewandelte Verantwortlichkeit zu verringern. Der Mensch hat nun - o Wunder! - eine immense Anzahl von konkreten Ausredensm”glichkeiten "entwickelt", von denen ich im folgenden die Wichtigsten herauspflcken m”chte. 1. Verminderung der offensichtlichen Verantwortung: - Man kann den direkten Zusammenhang widerlegen durch ein hieb- und stichfestes Alibi. - Man kann auch einfach alles abstreiten (Ich war's nicht. Punkt.) - M”glich ist auch eine Schuldverlagerung: ein anderer war's, oder sogar etwas anderes (heutzutage h„ufig der Computer). - Fr ein Opfer bestimmt das Brutalste, aber nicht minder wirksam: das Opfer ist selbst schuld! Ein fast makabres Beispiel (aus einem Sketch ber die Untersuchung ber den Ursprung des zweiten Weltkrieges): Was hatte Pearl Harbour eigentlich im Pazifik zu suchen?? 2. Negative Leistung verringern: - eine Neuausrichtung: die Fehlleistung wird in besseres Licht gerckt. Beispiel Watergate-Skandal: am Anfang wurde die Angelegenheit bloss als "3.-klassiger Einbruch" bezeichnet. - Prinzip "nichts b”ses sehen, nichts b”ses h”ren": man begreift die Negativit„t der Handlung einfach nicht...Als Beispiel der Bruder , der seiner Schwester nicht geholfen hat: "Ich habe sie ja nicht einmal schreien geh”rt". Viel folgenschwerer war natrlich der Fall Kitty Genovese, die trotz Dutzenden von Augenzeugen mehrmals angegriffen und verletzt wurde und schliesslich qualvoll starb; die Zeugen hielten die Sache fr einen harmlosen Liebesstreit. - Das sogenannte Verringern der Wahl/Qual: je mehr Auswahl man gehabt h„tte und sich dennoch fr eine unpopul„re (schlechte) L”sung entschlossen hatte, desto eher sieht man eben diese L”sung durch ein rosarote Brille, zum Beispiel "Ich hab ja daran gedacht, aber gib der Sache eine Chance und du wirst sehen, die Idee ist gar nicht so schlecht wie sie scheint!" - Man kann auch die Opfer hinterfragen: sie werden dann zu Objekten, die es verdient haben, oder aber der Akt ist dann neutraler, geringwertiger, unwichtig. Als Beispiel seien hier erw„hnt die amerikanischen Soldaten in Vietnam, welche auf Befehl v”llig wehrlose (zivile) M„nner, Frauen und Kinder umbrachten. Sp„ter, als sie zur Rechenschaft gezogen wurden bezeichneten sie ihre Opfer als "Schlitzaugen", Menschen niederer Rangstufe, die nicht mehr als menschliche Wesen gelten wrden. Dies ist mit der Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger eher verst„ndlich: sie besagt n„mlich, dass wenn in einem Menschen zwei sich widersprechende Kognitionen (allgemein: Ansichten ber die Welt) aufeinanderprallen dieser Mensch motiviert ist, die Dissonanz zu l”sen. Auf unser Beispiel bezogen: die schlechte Leistung (Greueltat) eines Soldaten wird fr ihn weniger belastend, wenn er sich (und den andern) sagt, dass die Menschen ja selbst schon schlecht bzw. minderwertig gewesen seien. - Man kann auch die Richtlinien anpassen: "die Pr„zedenzf„lle sind nicht deutlich genug...". Oder man kann versuchen, etwas zur Gewohnheit werden lassen. Typisch dafr ist die folgende "Schulhofweisheit": "Es ist nicht fair, die Regeln zu „ndern, sobald das Spiel begonnen hat". Fair schon nicht, aber durchaus m”glich! Ein fast klassisches Beispiel dazu ist in Orwell's "Farm der Tiere" enthalten: nachdem die Menschen ausgeschalten worden waren (die ehemaligen Herrscher), wurden Regeln auf die Scheunenwand geschrieben, die verhindern sollten, dass nie wieder mehr so eine Tyrannei entstehen k”nne. Eine dieser Regeln hiess: "Alle Tiere sind gleich". Da sich aber die Schweine je l„nger je mehr zu Menschen "entwickelten" ersannen sie eine M”glichkeit, diese Regel zu modifizieren. Sie erweiterten den Satz ein bisschen, sodass er nun (in etwa) folgendermassen lautete: "Alle Tiere sind gleich, aber einige sind etwas gleicher". - Infragestellung der Person, die uns das negative Feedback gibt. Das bedeutet etwa soviel, dass wir den Bewerter, der uns nicht mag, auch nicht m”gen. 3. Umgewandelte Verantwortlichkeit verringern: (wenn die ersten beiden Phasen fehlgeschlagen haben: "Ja, er tat es" und "Ja, die Tat war schlecht") - Man kann versuchen, Uebereinstimmung zu erwecken: alle andern in meiner Situation h„tten doch auch so gehandelt! Man sei gezwungen gewesen es zu tun (viele Nazi-Schergen antworteten auf diese Weise, als sie zu einer Rechfertigung ihrer Taten aufgefordert wurden) - Projektion: Ich habe zwar Fehler gemacht, die anderen tun aber auch (Freud: als Verteidigungsmechanismus) - Best„ndigkeit verringern: "normalerweise in einer solchen Situation passiert das nicht", "ich hatte einen schlechten Tag" - sich nicht Bemhen: wenn man sich nicht bemht hat macht es auch nichts, wenn eine schlechte Lleistung herauskommt - Aufmerksamkeit ablenken: Ein Mann erz„hlt am Stammtisch pl”tzlich ausgedehnt, wie er ein guter Vater sei oder ausdauernder Amateursportler, nur um ja nicht auf das Thema seiner Bef”rderung zu kommen, die er nicht erreicht hat - Verlagerung der internen Verantwortung nach aussen: als Beispiel dazu der Comic der Peanuts (S. 154): ....... Weitere Dimensionen des Ausreden-Modelles 1. Das Ausmass, indem sich der Handelnde seiner Ausrede bewusst ist: Ausreden sind normalerweise Verteidigungswaffen und daher bewusst; da sie aber auch zur Gewohnheit werden k”nnen ist es m”glich, dass sie aus dem Bewusstsein verschwinden! Dies ist interessant bei Selbstt„uschungen (S.95): "...Derjenige, dem die Lgen erz„hlt werden, und derjenige, der lgt, sind ein- und dieselbe Person, was heisst, dass ich in meiner Eigenschaft als Betrger die Wahrheit, die in meiner Eigenschaft als Betrogener vor mir verborgen ist, kennen muss. Es ist also besser, ich kenne die Wahrheit ganz genau, damit ich sie sorgf„lltig verstecken kann..." (Zitat Sartre, 1958) Allgemein ist es natrlich auch psychisch befriedigender, wenn man glaubt keine Ausrede gebraucht zu haben. Man muss hierzu anmerken, dass die Autoren das Wort AUSREDEN nicht negativ betonen: es ist mehr eine Erkl„rung fr schlechte Leistungen, was man natrlich eher als Beweggrnde bezeichnen k”nnte denn als Ausreden. 2. Das Ausmass, in dem eine Ausrede physisch manifest ist. Sch”nes Beispiel dazu ist der Sportler mit einem Schulterverband: er muss sich fr allf„llige schlechte Leistungen nicht entschuldigen, man sieht ja, dass er verletzt ist, und wenn die Leistung dennoch gut ausf„llt: umso besser fr ihn! 3. Die sogenannte Durchdringung der Ausrede, oder wie wirksam sie ist. Denn merke: je schlechter die Leistung die du vollbracht, desto effektiver muss deine Ausrede sein! Wenn man also wegen einfachem (unspektakul„rem?) Kopfweh nicht zur Arbeit erscheint ist man selber schuld, wenn es einem nicht abgenommen wird; wie w„re es zum Beispiel mit chronischen Depressionen? 4. Wichtig ist auch unzweifelhaft der Zeitpunkt der Ausrede: obwohl eine Ausrede normalerweise nach der Fehlleistung angebracht ist (sogenannte rckwirkende Ausreden), kann es auch vorbeugende Ausreden geben: gerade unser Sportler von oben bedient sich einer solchen, aber man hat noch viel raffiniertere Dinge erfunden! Zum Beispiel der Ausredenapparat: das ist ein Telefonapparat (Mnzautomat), bei dem man neben dem Telefonieren noch ein Hintergrundger„usch ausw„hlen kann, z.B. Autor”hren, Flugzeugl„rm, Krankenhausatmosph„re, Gewitter usw. (Probleme gab es bisher nur, wenn sich wirklich alle ber denselben Apparat entschuldigen wollten und es nur einen in der weiteren Umgebung gibt...). Jetzt k”nnte man zur Auffassung gelangen, unsere Welt bestnde nur aus Ausreden: „rgerlich, furchterregend, entt„uschend, ABER... Wie wrden denn Welten OHNE Ausreden aussehen? Hier stichwortartig zwei Modelle: Erste Alternativ-Welt: emotional kalt; strikte Befolgung der gesellschaftlichen Regeln. Freiheit und freie Wahl gibts nicht mehr (haben wir das nicht schon mal gelesen? Schon mal was von Orwells 1984 geh”rt?). Da keine Freiheit im Denken: keine Fehler sind m”glich (oder die fehlerhaften Menschen werden desaktiviert), die Menschen werden Maschinen angeglichen: rational operierend. Das dies gar nicht so unm”glich ist, wie es scheint, beweisen Ameisen, Termiten, Bienen und andere Tierarten. Folgende Aussage wird richtig: alles was nicht verboten ist, ist erzwungen. Es g„be keine W”rter fr glcklich, frei, richtig falsch; Ethik spielt sowieso keine Rolle: entweder man tut es oder man tut es nicht. Aber darber nachzudenken br„uchte man nicht. => dies w„re eine unm”gliche Welt, da wesentliche Aspekte der menschlichen Natur unterdrckt wrden! => man msste als einen extremen Rckschritt in der Evolution bezeichnen! Zweite Alternativ-Welt: jeder Mensch ist sich seiner Freiheit und Verantwortlichkeit immer voll bewusst und akzeptiert diese. => der perfekte Mensch braucht keine Ausreden. Diese Menschen haben jegliches Gefhl fr einfaches Selbstbewusstsein verloren und sind aus den Tiefen individueller Existenz zu einer Gemeinschaft h”heren und weitergreifenden Bewusstseins aufgestiegen. => das Selbstbewusstsein ist abgeschaltet und/oder in ein allumfassendes umgewandelt. Christus, Ghandi, Einstein und weitere sollen so gewesen sein: die Idee w„re genial, aber es ist schwierig, makellos zu sein! => Bleiben wir doch lieber in unserer Welt und akzeptieren unsere Ausreden als ein Teil unserer menschlichen Natur. Es kommt sogar noch ein Trostpfl„sterchen: Die Vorteile von Ausreden - beim Ueberprfen unserer Ausreden merken wir, wie frei wir sind und wo unsere Grenzen liegen - Ausreden zu akzeptieren ist eine Methode, die menschliche Unvollkommenheit zu akzeptieren - aus gesellschaftlicher Sicht muss man sagen, dass Ausreden das Leben angenehmer gestalten: z.B. gesellschaftliche Begegnungen werden erleichtert - unsere Risikobereitschaft wird erh”ht: ohne Ausreden mssten wir sehr viel Energie darauf verwenden, Situationen zu vermeiden in denen wir Fehler machen k”nnten - auch im zwischenmenschlichen Bereich haben Ausreden Vorteile: die pers”nliche Achtung kann gewahrt werden. Jeder Einzelne kann sicherer handeln, da die negativen pers”nlichen und sozialen Seiten verborgen werden k”nnen KOMMENTAR Es gibt relativ viele Punkte, die ich aus meiner Position als philosophischer Leser kritisieren m”chte. Zum eine sind es formale Dinge: das Buch ist offensichltich von mehreren Leuten geschrieben. Dies w„re ja noch kein Grund fr M„ngel, schon eher die Tatsache, dass sich die Autoren in ihren Gebieten ziemlich stark berschneiden, was zu Wiederholungen und Widersprchen am laufenden Band fhrt. Der Vorteil liegt zwar darin, dass man in ein und demselben Buch verschiedene Perspektiven eines Problemes geliefert bekommt. Aber die fehlende Koordination fhrt dazu, dass das Buch alles andere als aus einem Guss erscheint. Das h„ngt natrlich eng damit zusammen, dass es eigentlich in die psychologische Literatur einzureihen ist, wo solche "Sammelb„nde" von mehreren Autoren viel g„ngiger sind. Auch eine Eigenschaft der psychologischen Literatur ist es, dass sehr weit ausgeholt wird (die Literaturhinweise umfassen mehr als 40 Seiten!!). Wie die meisten psychologischen Texte ist es sehr an der empirischen Forschung orientiert, interpretiert deren Ergebnisse (wie blich) sehr sorgf„lltig und beschr„nkt sich vorwiegend aufs Beschreiben. Auch inhaltlich st”sst man schnell an die Grenzen der psychologischen Betrachtungsweise des Problemes AUSREDEN. Wird n„mlich nur die intrapsychische Funktion von Ausreden behandelt, f„llt die ethisch-normative Dimension schnell mal unter den (Psychologen-) Tisch. Ob nun eine Ausrede berechtigt ist oder nur eine "faule" Ausrede ist, wird als unwichtig betrachtet. Es werden eher die Beweggrnde zu Lgen untersucht, beurteilt werden die Lgen selbst dann nur noch nach wie wirksam sie sind (eine rein ”konomische Bewertung: was bedroht das Selbstbild am wenigsten?). Aehnlich ist es mit dem Begriff der Selbstachtung: er ist recht zentral, wenn es darum geht, wie man sie erhalten solle, aber ob das bestimmte Selbstwertgefhl bzw. Minderwertigkeitsgefhl auch tats„chlich berechtigt, begrndet oder vertretbar ist kommt nicht zur Sprache. Weiterhin f„llt die Meinung der Autoren auf, dass man es mit der Wahrheit in keinem Falle ernst nimmt. Viel wichtiger erscheint die Frage, was passiert, wenn eine negative Leistung einmal vollbracht ist (auf jeden Fall nicht zugeben!!). Wie befreie man sich aus einer unangenehmen Situation, nachdem sie nun mal (unvermeidbar?) eingetroffen ist? Hier bemerkt man auch, dass sich das Buch bedrohlich der typischen Lebenshilfeliteratur n„hert, wobei die Autoren Therapie als individuelle Lebenshilfe verstehen, bei der der gesellschaftliche Rahmen unkritisch hingenommen wird. Dadurch bleibt man natrlich nicht neutral (wie viele Psychologen zu sagen pflegen bzw. hoffen), sondern man akzeptiert oder verst„rkt sogar die bestehenden Verh„ltnisse. Dies wird noch verst„rkt, indem man (wie in der Psychologie blich) die "motivated reasonings" betont und die "justifying reasonings" ausklammert. Problematisch ist auch der Zug der Autoren, dass sie - wie Goffman - an einem Begriff der Personidentit„t anknpfen, der besagt, dass der Mensch das ist, was er in den Augen anderer zu sein versucht. Ob sich unser Selbst wirklich nur aus dem zusammensetzt, was wir fr andere darstellen, ist zumindest fraglich. Obwohl die Ausreden vor allem unter dem Gesichtspunkt der Funktion betrachtet werden, f„llt doch weiter auf, dass nur die verantwortungsentlastende Seite betont wird. Gibt es nicht auch Ausreden, die Teil einer Strategie zur Erreichung eines bestimmten Zieles sind? Mit grossen M„ngeln ist das philosophische Kapitel behaftet. Es werden die umfangreichen Arbeiten ber Lob und Tadel, Freiheit und Determinismus, Entschuldigung und Verantwortung nicht bercksichtigt. Gerade was die Literatur betrifft scheint mir nehmen es die Autoren nicht sehr genau: es wird sehr oberfl„chlich zitiert, in einzelnen F„llen sogar falsch, was zu unzul„ssigen und vor allem sinnwidrigen Interpretationen fhrt (z.B. Seite 84 das Zitat des Philosophen John L. Austin: "...Wenige Ausreden befreien uns v”llig; durch die durchschnittliche Ausrede bei einer blen Lage geraten wir nur vom Regen in die Traufe - aber wir stehen immer noch v”llig im Nassen...". Korrekt sollte es lauten: "Man darf n„mlich nicht vergessen, dass es nur wenige Entschuldigungen gibt, die uns v”llig reinwaschen. Die Durchschnittsentschuldigung bringt uns in einer schlimmen Lage nur aus der Traufe in den Regen, aber der Regen ist halt immer noch nass. Wenn ich deinen Teller oder deine Liebschaft zerbrochen habe, finde ich wom”glich keine bessere Verteidigung als meine Unbeholfenheit." (John L. Austin, Gesammelte philosophische Aufs„tze, Stuttgart-Reclam 1986, S. 232). Auch hier ist die Aehnlichkeit zu pseudowissenschaftlicher Literatur fr meinen Geschmack zu gross. Bei aller Kritik an dem Buch darf ich nicht vergessen, dass mir die Lektre doch sehr gefallen und einige Einsichten gebracht hat (mir als Psychologie- und als Philosophiestudent). €vĄ’’żqž’’l¾’’ĀgÅ’’d’’>a?’’z^{’’ø[ø¹’’ÕxA’’\s]’’in’’1iĻ ’’į d ’’ _| ’’· \ø ’’ø õ xö ’’2u3’’or"’’-m.’’ohŠ’’čc<’’J^Ź’’[’’AxB’’u€’’½r¾’’üoż’’l¼’’óg’’&bO’’Oqvr’’wqP’’]l^’’qgQ’’Ybē’’ ] ’’ X9 ’’O9 @ v"’’"qf$’’r$lā$’’ %g¶%’’¼%bg)’’‰)]ž)’’*X*’’O*8*vŅ*’’Ü*q1’’:1lŒ1’’‘1g²1’’¼1bš1’’2]•2’’±2X^3’’O^3~3v‡3’’•3q@4’’f4l6’’'6g}7’’7bZ;’’n;]ķ>’’+?X†?’’O†?³?v1@’’A@q'A’’1Al”A’’¬AgB’’#Bb‡B’’žB]lC’’žCX%D’’O%DNDvŃD’’ŲDqļD’’łDl\E’’mEgxE’’ćFd H’’H_eH’’vHZI’’OIIv~I’’‹Iq¢I’’©IlK’’Kg@K’’DKbqK’’}K]3L’’BLX’’z’’ø’’Õ’’×’’t ’’v ’’{ ’’· ’’· õ ’’2’’o’’q’’’’Q’’~’’¶’’õ’’5’’D’’‚’’»’’ō’’(’’`’’˜’’Ö’’ģ’’ī’’īŁ’’Ū’’É’’’’A’’’’½’’ü’’’’’’0’’ó’’%’’'’’A’’‚’’^’’`’’b’’ ’’  ’’×!’’Ł!’’µ#’’ą$’’ā$’’®%’’Ļ&’’Ń&’’Ó&’’D'’’F'’’{'’’·'’’ó'’’/(’’1(’’u(’’w(’’³(’’³(ļ(’’+)’’_)’’a)’’c)’’*’’*’’%+’’'+’’)+’’C,’’ī,’’ž-’’¢.’’V0’’X0’’Z0’’1’’1’’<1’’<1”1’’Ų1’’R2’’\3’’^3’’€3’’54’’ž5’’i7’’F;’’ė>’’„?’’†?’’@’’%A’’’A’’B’’…B’’jC’’ÓC’’ÓCÕC’’×C’’ŁC’’ŪC’’ŻC’’ßC’’įC’’ćC’’åC’’ēC’’D’’D’’D’’D’’D’’D’’D’’D’’D’’!D’’!D#D’’%D’’PD’’RD’’wEyµE’’ņE’’1F’’mF’’­F’’ģF’’żF’’?H’’AH’’jI’’lI’’ßJ’’įJ’’™M’’›M’’<›MM’’ N’’"N’’RN’’uN’’wN’’÷O’’fP’’hQ’’«Q’’ŚQ’’R’’1R’’3R’’²R’’õR’’4S’’wS’’ÆS’’ŅS’’<ŅST’’5T’’“T’’¶T’’øT’’XU’’ZU’’\U’’xU’’ŲU’’5V’’ÉV’’mW’’KX’’MX’’OX’’QX’’\X’’^X’’Ö\’’<Ö\c’’Öd’’įe’’Ōj’’Öj’’Œk’’k’’Žk’’xU’’ŲU’’5V’’ÉV’’mW’’KX’’MX’’OX’’QX’’\X’’^X’’Ö\’’<Õ k€xk’’’’ ö [Y!i+€6źBaJ ŻT T`